Die Kita muss schliessen, doch die Leiterin kämpft weiter: «Diese Arbeit ist mir wichtig und wertvoll»
Laura Ferrari
Das neue Tagesbetreuungsgesetz entlastet das Familienbudget und schafft Transparenz in den Angeboten. Für die Kitas sollte das neue Gesetz Prozesse vereinfachen. Für die “Rappelkischte” bedeutet es das Aus.
Die kleinen Holzhocker sind in der Mitte des Raums aufgestapelt, in der Ecke liegt eine Bohrmaschine. Die Tische an der Wand sind leergeräumt. Holzmöbel und warme Farben bestimmen die zwei Räume der ehemaligen Kita “Rappelkischte” an der Solothurnerstrasse im Gundeli. «Momentan ist hier eine Baustelle”, sagt Asa Richterich.
Ende Juni musste sie ihre Kita schliessen. 15 Jahre hat sie gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin die «Rappelkischte” geleitet. Und das mit einem individuellen und authentischen Konzept: «Wir haben eine kleine Oase für Familien geschaffen. Wir haben Kinder in ihrer prägendsten Zeit begleitet”, erzählt sie. Dieses Angebot wurde in 15 Jahren von über 160 Kindern und ihren Eltern in Anspruch genommen. Bis zum 30. Juni 2023.
Im neuen Tagesbetreuungsgesetz haben die Kleinen keinen Platz
Mit dem neuen Tagesbetreuungsgesetz, das am 1. Januar 2022 in Kraft trat, wollte der Kanton Basel-Stadt statt drei nur noch zwei Kategorien von Kindertagesstätten anbieten: Entweder mit Betreuungsbeiträgen oder ohne. Eltern sollen dadurch mehr Betreuungsbeiträge erhalten und ihre Kita frei wählen können. Zudem wurde Transparenz über das Angebot geschaffen.
Das klingt durchaus positiv. Für Asa Richterich und ihre Geschäftspartnerin bedeutete dies am Ende jedoch die Schliessung ihrer Kita. Denn um eine voll-subventionierte Kita zu werden, hätten, gerade für diese sehr kleine Tagesstätte, grosse Veränderungen vorgenommen werden müssen:
Nicht leisten konnten, aber auch nicht wollten, sagt sie, da die erforderlichen Veränderungen mit ihrer Philosophie nicht hätten umgesetzt werden können. Grösser sollte die “Rappelkischte” aus pädagogischen Gründen nicht werden.
So war die Kita jeweils nur halbtags geöffnet, vor drei Jahren hat Asa Richterich zusätzlich zwei Nachmittage Betreuungszeit angeboten. Doch: «Wenn ich mehr als zweimal die Woche für zwölf Stunden Kinder betreue, dann kann ich meine Arbeit nicht mehr so machen, wie die Kinder es verdienen”, sagt sie. Zudem wollte sie ihr Angebot nicht ausweiten, sie wollte den kleinen, beschaulichen Rahmen behalten, um individuell zu arbeiten.
«Kinder brauchen Zeit, um zu wachsen und zu lernen»
Das bedingte also, dass die “Rappelkischte” ab Januar 2022 eine Kita ohne Betreuungsbeiträge wurde und die meisten Eltern die Kosten privat geleistet haben. In dieser Übergangszeit hat der Kanton Basel-Stadt wenige Kinder bis Kindergarteneintritt im Sommer 2022 noch finanziell unterstützt. Knapp 1.5 Jahre ging das mit dieser Übergangslösung gut, doch dann fehlten die Anmeldungen. Für die Eltern, die ihre Kinder in der «Rappelkischte” hatten, ein grosser Verlust, denn Asa Richterichs Kita ist mit ihrem Konzept mit anderen Kitas nicht zu vergleichen.
Im Zentrum ihrer pädagogischen Arbeit sieht die ausgebildete Kinderpädagogin das Begleiten der Kinder. Und das, indem ihnen viel Raum gegeben wird und man ihnen mit Geduld begegnet:
Ein Beispiel ist das Morgen-Ritual: Wenn die Kinder ankommen, verabschieden sie sich von ihren Eltern auf dem “Winke-Stuhl”. Sie steigen aufs Stühlchen und gucken durchs Fenster, die Eltern schauen von draussen herein und beide winken sich zu. «Dort erleben Eltern und Kinder den Raum, sich bewusst voneinander zu verabschieden”, erklärt Richterich.
Das Übernehmen von Verantwortung, das Vertrauen in die eigenen Ressourcen und das Lernen mit Konflikten umzugehen, das sollen die Kinder mitnehmen aus dem Kita-Alltag.
Eine familienbegleitende Kita
Und das ist es auch, was die Eltern an der “Rappelkischte” und an Asa Richterich sehr schätzen: «Was diese Kita so speziell gemacht hat, ist, dass auch ich als Mutter mich eingebettet gefühlt habe. Asa hat immer wieder das Gespräch mit mir gesucht und nach meinem Befinden gefragt”, sagt Sophia. Ihr Sohn hat fast vier Jahre die “Rappelkischte” besucht. Dass so ein Angebot mit dem neuen Gesetz keinen Platz mehr hat, ist für sie unverständlich.
Auch Marijke, deren Sohn ein Jahr in der “Rappelkischte” war sagt: «Die Kinder werden gesehen und respektiert. Asa schafft es, den schwierigen Grad zwischen dem Kommunizieren auf Augenhöhe und einer klaren Führung miteinander zu verbinden”, sagt sie. Dieter, der Vater von zwei Kindern in der Kita sagt:
Asa Richterich unterstreicht: «Ich arbeite familienbegleitend. Wenn es ein Kind schwierig hat, dann frage ich auch die Eltern, wie es ihnen geht”.
Aufgeben will die ehemalige Kita-Leiterin nicht: «Die “Rappelkischte” ist jetzt eine Spielgruppe. Da unterliege ich auch gewissen Regeln des Kantons, aber ich kann mein Angebot noch aufrechterhalten.” In einer Spielgruppe dürfen die Kinder zum Beispiel nicht mehr als 16 Stunden in der Woche Zeit verbringen, sonst zählt die Einrichtung wieder als Kindertagesstätte.
Die “Rappelkischte” ist nicht die einzige Kita, die schliessen muss
Drei Kinder werden nach dem Sommer die Spielgruppe besuchen. Bei diesem Angebot werden die Eltern nicht subventioniert, doch sie sagt: «Daran soll es für keine Familie scheitern, ich komme ihnen auch entgegen. Warum ich das alles mache? Diese Arbeit ist mir wichtig und wertvoll”. Asa Richterich hat noch Platz in ihrer Spielgruppe und hofft auf Anmeldungen.
Asa Richterich fühlt sich vom Kanton im Stich gelassen: «Wir haben jahrelang gute Arbeit geleistet, ich habe vom Erziehungsdepartement auch Kinder vom Zentrum für Frühförderung (ZFF) vermittelt bekommen sowie auch behinderte Kinder betreut”. Dass man sie dann einfach so fallenlasse und ihr nicht entgegenkommen würde, um eine individuelle Lösung zu finden, könne sie nicht nachvollziehen. Das Erziehungsdepartement (ED) schreibt auf Anfrage:
Für Asa Richterich sieht die Entwicklung jedoch danach aus, dass die Nischen-Angebote verschwinden sollen: «Alles soll gross gehalten werden, das Individuelle und das Persönliche geht verloren».
Das ED sagt dazu: «Es gibt in Basel-Stadt viele verschiedene Kitas, darunter auch kleinere, sodass Familien aus einem vielfältigen Angebot wählen können. 2022 wurden in Basel-Stadt sieben Kitas neu gegründet, vier Kitas stellten den Betrieb ein. Teilweise werden die Kitas als anderes Angebot weitergeführt und unterstehen nicht mehr den Regelungen des Tagesbetreuungsgesetzes. Es werden mehr Kitas neu gegründet als geschlossen. Bei den Neugründungen gibt es auch kleinere Kitas».
Auch im Neubad schliesst eine Kita ihre Tore. Das „Kinderhuus Schmetterling” war bis zum Eintreten des neuen Gesetzes ebenfalls mitfinanziert und bot danach nur noch Plätze ohne Betreuungsbeiträge an. Für ein Gespräch mit Baseljetzt war von der Kita „Schmetterling” niemand verfügbar.
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